Gebhard Kirchgässner

„Ökonomische Vernunft oder Überforderung des Menschen?“



((1)) An dem im Hauptartikel in seinen Grundzügen und in ULRICH (1997) ausführlich dargestellten Ansatz einer ‚integrativen Wirtschaftsethik‘ lässt sich vieles aussetzen. Dies gilt zum einen für seine kognitivistische Grundlage. Wie an anderer Stelle in bezug auf die zugrunde liegende Konzeption des herrschaftsfreien Diskurses (Diskursethik) und insbesondere die verwandte Konzeption der konstruktivistischen Wissenschaftstheorie ausgeführt wurde, ist eine kognitivistische Ethik zumindest solange nicht möglich, als die kognitivistische Komponente einen mit Sachbehauptungen vergleichbaren Wahrheitsanspruch erhebt und man von einer realistischen Wahrheitstheorie ausgeht, d.h. von der Annahme, dass eine Aussage dann als wahr gelten soll, wenn sie den Tatsachen entspricht. (Siehe hierzu KIRCHGÄSSNER (1982, 1992a).) Aber da der Anspruch der integrativen Wirtschaftsethik, “Grundlagenreflexion der ökonomischen Vernunft zu bieten” bzw. eine “ideologiekritische Auseinandersetzung mit dem herrschenden Ökonomismus” zu leisten, auch dann erhoben werden kann, wenn man vom Anspruch einer kognitiven Ethik abrückt und in vernünftiger Zurückhaltung die entsprechenden Aussagen mit KLIEMT (1992: 92) als “hypothetische Imperative kluger Interessenwahrung” begreift, soll auf diesen Aspekt hier nicht näher eingegangen werden.

((2)) Bei der Vielfalt der in der Arbeit angebotenen Deutungen des Begriffs ‚Ökonomismus‘ ist es nicht einfach herauszufinden, woran sich im einzelnen die Kritik entzündet. Dieser Begriff wird nämlich – wie auch bei anderen Autoren; siehe hierzu KIRCHGÄSSNER (1997) – vor allem als (emotional negativ besetztes) Schlagwort benutzt, mit dem all jene Entwicklungen der Wirtschaftstheorie und/oder der wirtschaftlichen Wirklichkeit diskreditiert werden sollen, die gemäß der persönlichen Auffassung des Autors negativ einzuschätzen sind. Vor allem aber sollen jene Personen diskreditiert werden, die mit diesen Entwicklungen in irgendeiner (positiven) Beziehung stehen. (Ein solcher Sprachgebrauch ist freilich kaum vereinbar mit der Idee einer ‚Diskursethik‘, die dem ‚herrschaftsfreien Diskurs‘ verpflichtet sein soll.) Versucht man aus den verschiedenen angebotenen Deutungen dasjenige herauszufiltern, was letztlich die Kritik auslöst, so ist es zum einen ein Unbehagen darüber, dass sich Märkte heute auch in Bereiche ausdehnen, die früher außermarktlich geregelt waren (oder zumindest zu sein schienen), und zum zweiten ein Unbehagen daran, dass die moderne Wirtschaftstheorie mit ihrem Konzept des ‚homo oeconomicus‘ einen individualistischen Erklärungsansatz für menschliches Handeln anbietet, der (zumindest sehr weitgehend) ohne moralische Kategorien auskommt. Drittens wird kritisiert, dass Ökonomen – wie andere Wissenschaftler auch – bei ihren politischen Äußerungen unter dem Deckmantel der Wissenschaft Behauptungen aufstellen, welche im wesentlichen ihre persönlichen Werturteile widerspiegeln und sich aus den Ergebnissen ihrer (positiven) Wissenschaft ohne Hinzunahme von Werturteilen auch nicht ableiten lassen.

((3)) Der dritte Aspekt, der zurecht kritisiert wird, gilt für sämtliche Wissenschaften und soll deshalb hier nicht näher erörtert werden. Auch auf das Unbehagen an der modernen Wirtschaftstheorie soll nicht eingegangen werden, obwohl sehr viel dazu zu sagen wäre. (Zum Modell des homo oeconomicus siehe ausführlich KIRCHGÄSSNER (1991).) Aus Platzgründen soll nur das Problem der “grenzenlosen Ökonomisierung unserer Lebensformen” ((3)) diskutiert werden. Dabei kann offen bleiben, ob die formalen Märkte heute tatsächlich weitere Bereiche abdecken, als dies in früheren Zeiten der Fall war. Schließlich waren viele Bereiche menschlicher Tätigkeiten, die heute nicht (primär) über Marktrelationen gesteuert werden, in einer früheren Periode marktlich geregelt. Es geht hier ausschließlich um die Frage, inwieweit es sinnvoll und/oder möglich ist, den durch formale Märkte koordinierten gesellschaftlichen Bereich wieder einzuschränken und welche Rolle die Wirtschaftsethik dabei spielen kann. (Siehe hierzu auch KIRCHGÄSSNER (1997).)

((4)) Folgt man der klassischen Einteilung von DAHL und LINDBLOM (1953), dann ist der Markt neben der Demokratie, dem hierarchischen System (Bürokratie) und dem Verhandlungssystem einer der vier zentralen gesellschaftlichen Koordinationsmechanismen. Darin, wie man die Bedeutung seiner Rolle einschätzt, gibt es einen ‚linken‘ und einen ‚rechten‘ Fehler. Der ‚rechte‘ Fehler, den ULRICH zurecht angreift, besteht darin, dass Marktlösungen als anderen Koordinationsmechanismen grundsätzlich überlegen angesehen werden. Die Fähigkeit des (mit Hilfe des Mediums Geld) veranstalteten Wettbewerbs, zu gesellschaftlich befriedigenden Lösungen zu kommen, wird überschätzt. (Siehe z.B. WOHLGEMUTH (1995) oder SIEBERT (1998). – Wahrscheinlich ist es vor allem dies, was ULRICH unter ‚Ökonomismus‘ verstanden wissen will.) Selbst nach dem Kriterium der ökonomischen Effizienz ist es nicht sinnvoll, alles über Marktbeziehungen zu regeln. Wie COASE (1937) in seiner bahnbrechenden Arbeit gezeigt hat, lässt sich z.B. die Existenz von Firmen dadurch erklären, dass (auch im privaten Sektor der Wirtschaft) bestimmte Transaktionen aus dem Markt herausgenommen werden, um damit eine (gesellschaftlich wie einzelbetrieblich) höhere Effizienz zu erzielen. Dies bedeutet nicht, dass immer dann, wenn bestimmte Transaktionen durch private Akteure aus dem Markt herausgenommen werden, die volkswirtschaftliche Effizienz gesteigert würde. So ist z.B. die Bildung von Kartellen ein Versuch, den Marktwettbewerb auszuschalten. Gelingt dieser Versuch, wird die volkswirtschaftliche Effizienz verringert. Zudem wird der Preiswettbewerb auch in einigen Bereichen bewusst ausgeschaltet, obwohl man sie mit seiner Hilfe regeln könnte. So wird z.B. bei den kantonalen Gebäudeversicherungsmonopolen in der Schweiz der Wettbewerb bewusst zugunsten öffentlicher Gebietsmonopole eingeschränkt, weil dies zu volkswirtschaftlich effizienteren Lösungen führt. (Siehe hierzu KIRCHGÄSSNER (1996a).)

((5)) Der ‚linke‘ Fehler ist demgegenüber die Annahme, dass man den Marktmechanismus fast beliebig zugunsten anderer Koordinationsmechanismen ausschalten könne, ohne dass dies (möglicherweise gravierende) negative Konsequenzen hätte. Diesem Fehler unterliegt auch ULRICH. Selbst gesetzliche Regelungen sind häufig nicht in der Lage, das Aufkommen eines Marktes zu verhindern. Dies gilt selbst dann, wenn eine weitgehende gesellschaftliche Übereinstimmung darüber besteht, dass bestimmte Güter nicht marktlich gehandelt werden sollen. Wie das Beispiel des Drogenhandels zeigt, bewirkt ein gesetzliches Verbot zunächst nur, dass sich der Handel vom legalen in den illegalen Bereich verschiebt. (Siehe hierzu ausführlicher KIRCHGÄSSNER (1997).) Die Möglichkeiten, Gewinne zu erzielen, werden dadurch möglicherweise sogar erheblich gesteigert. Dies bedeutet andererseits nicht, dass der Staat in diesem Bereich überhaupt nicht regulierend eingreifen könnte oder sollte, oder dass die heutige, durch eine repressive Politik hervorgerufene Situation nicht verbessert werden könnte, ohne dass man den Markt völlig freigibt. Aber eine auch nur einigermaßen befriedigende Situation kann hier eher mit dem Markt als gegen ihn erreicht werden. (Siehe hierzu die Beiträge in ERLEI (1995).)

((6)) Der zweite und, wie ich glaube, entscheidende Fehler, dem ULRICH mit seinem Ansatz einer integrativen Wirtschaftsethik unterliegt, besteht in der Verkennung der Natur des Menschen. Die Menschen sind in erster Linie an der Befriedigung ihrer eigenen (persönlichen) Bedürfnisse interessiert, wobei die materielle Orientierung eine wesentliche Rolle spielt. Man mag dies bedauern, wird dies jedoch kaum ändern können. Es genügt nicht, einen ökonomischen Umerziehungsprozess zu fordern, gemäß welchem “nicht mehr die bloße Maximierung der verfügbaren Güterfülle, sondern die lebenskluge Indienstnahme der hohen Produktivität des marktwirtschaftlichen Systems für die Erweiterung der Vielfalt freier und kultivierter Entfaltungsmöglichkeiten der Bürger ... auf der Stufe einer fortgeschrittenen Ökonomie der Lebensfülle das sinngebende Formalziel sozialökonomischen Fortschritts” werde. (ULRICH ((37)).) Man muss auch angeben, wie dies geschehen könnte. Fragt man nach dem rationalen Kern einer solchen, in wohlklingenden Worten formulierten Forderung, so ist dies nichts anderes als eine Aufforderung, die Individuen sollten ihre aktuellen Präferenzen zugunsten verallgemeinerbarer Präferenzen ändern. (Diese Forderung ist freilich nicht neu, sie findet sich z.B. bereits bei KAMBARTEL (1974). Siehe hierzu auch KIRCHGÄSSNER (1985).)

((7)) Wenn man eine solche Forderung erhebt, dann sollte man – entsprechend dem Grundsatz “ultra posse nemo obligatur” – auch aufzeigen, wie sie erfüllt werden könnte. Darüber aber schweigt sich ULRICH aus. Dies ist nicht zufällig, sind doch die zur Verfügung stehenden Wege, um zu einer solchen Veränderung der Präferenzen zu gelangen, alles andere als attraktiv. Zunächst besteht die häufig kaum lösbare Schwierigkeit, im konkreten Fall verallgemeinerbare von nicht verallgemeinerbaren Präferenzen zu unterscheiden. Geht man einmal hypothetisch davon aus, dass diese Schwierigkeit überwunden werden kann, dann bestehen dafür, die Präferenzen der an (wirtschaftlichen) Entscheidungen Beteiligten zu verändern, zwei Möglichkeiten: Zum einen kann man hoffen, dass die Menschen unter anderen Bedingungen nicht nur ihr Verhalten, sondern auch ihre Präferenzen ändern. Zum anderen kann man versuchen, diesen für notwendig gehaltenen Prozess der Veränderung der Präferenzen durch (vom Staat veranstaltete (?)) Umerziehungsmaßnahmen herbeizuführen.

((8)) Die Hoffnung, eine Änderung der Produktionsbedingungen und der dadurch hervorgerufene gesellschaftliche Überfluss führe zu einer neuen Präferenzstruktur der Menschen, hat bereits Karl Marx in seinen Visionen einer zukünftigen Gesellschaft beflügelt, welche die Aufhebung der Selbstentfremdung des Menschen mit sich bringen sollte. (Siehe hierzu z.B. MARX (1844, S. 180ff.)) Alle Versuche, dies zu erreichen, sind freilich bisher fehlgeschlagen. Zwar haben wir heute in den Industriestaaten – zumindest im Vergleich zur Situation vor 150 Jahren – einen gewaltigen gesellschaftlichen Reichtum, aber dieser ist zum einen nicht dort entstanden, wo die von Marx angeprangerten ‚kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse‘ durch eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel abgeschafft (und durch die Ausbeutung durch eine politische Kaste ersetzt) wurden, sondern dort, wo sich der Kapitalismus (zum Teil freilich gezähmt durch Programme sozialdemokratischer Politik) relativ frei entwickeln konnte. Freilich ist dabei keine “Kultur des Genug-haben-Könnens, der Selbstbegrenzung des eigenen Nutzen-, Erfolgs- oder Vorteilsstrebens” entstanden, sondern es besteht, wie ULRICH ((37)) korrekt anmerkt, noch weithin eine “Mentalität des unbegrenzten Mehr-haben-Wollens”. Zwar soll nicht bestritten werden, dass es heute Gruppen gibt, die ihren Konsum bewusst beschränken. Dies sollte aber auch nicht überbewertet werden. Zum einen sind diese Gruppen zu klein, um das gesellschaftliche Ergebnis entscheidend zu beeinflussen, und zweitens hat es solche Gruppen schon immer gegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass diese Gruppen heute einflussreicher wären als zu früheren Zeiten. Offensichtlich konnte daher eine allgemeine Änderung der Präferenzen bisher weder durch eine Änderung der Eigentums- und Produktionsverhältnisse noch durch die Steigerung der gesellschaftlichen Produktion bewirkt werden.

((9)) Wenn es nicht möglich ist, durch eine Änderung der realen Bedingungen die Präferenzen der Menschen zu ändern, dann kann man immer noch versuchen, direkt auf sie Einfluss zu nehmen. Tatsächlich haben die verschiedensten kommunistischen Regime im 20. Jahrhundert über kurz oder lang alle auf dieses Mittel zurückgegriffen. Ein solches Vorgehen dürfte freilich mit einem “republikanischen Liberalismus oder liberalen Republikanismus”, wie ihn ULRICH ((44)) fordert, kaum vereinbar sein. Zwar verwahrt sich ULRICH ((45)) in einer Abgrenzung zum (politischen) Kommunitarismus dagegen, einen “idealen ‹Gutmenschen›” zu fordern, aber er bleibt die Antwort darauf schuldig, wie er die Menschen dazu bringen will, ihren Handlungen “nur die maßvollen mixed motives lebenskluger Bürger” ((45)) zugrunde zu legen. Er spricht zwar an anderer Stelle davon, dass dies durch “neue Wirtschaftsbürgerrechte” ((46)) geschehen solle, aber man wartet vergeblich auf Konkretisierungen. (Dabei soll nicht bestritten werden, dass er sich in anderen Arbeiten hierzu konkreter äußert. Aber auch dort gehen seine Vorschläge kaum über wenig durchdachte Forderungen hinaus. Siehe hierzu z.B. die Beurteilung der in ULRICH (1998) gemachten Vorschläge zum Arbeitsmarkt in KIRCHGÄSSNER (1998).)

((10)) Einen Ansatzpunkt könnte man darin sehen, dass er Wettbewerbsbegrenzungen fordert, um (in Anlehnung an KLIEMT (1986) und KIRCHGÄSSNER (1992)) vermehrt ‚Kleinkosten- Situationen‘ entstehen zu lassen, da sich in solchen Situationen moralisches Handeln leichter durchsetzen kann ((26)). Dies ist auf den ersten Blick hin ökonomisch korrekt gedacht. Wenn man (durch Einschränkung des Wettbewerbs) die Kosten moralischen Verhaltens verringert, könnte sich moralisches Verhalten eher durchsetzen. Schließlich wurde ja in KIRCHGÄSSNER (1996) nicht nur gezeigt, dass die Menschen in solchen Situationen häufig moralisch handeln, sondern auch, dass es solchen moralischen Handelns bedarf, damit in einer modernen Gesellschaft mit demokratischer Regierungsform und marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung ein (einigermaßen) zufriedenstellendes gesellschaftliches Ergebnis erzielt wird.

((11)) Der Vorschlag, durch Wettbewerbsbeschränkungen zusätzliche Kleinkostensituationen herbeizuführen, ist jedoch außerordentlich problematisch. Dies gilt nicht nur, weil Individuen in solchen Situationen nicht nur moralisch, sondern möglicherweise auch verantwortungslos handeln. (Darauf hat BUCHANAN bereits 1954 aufmerksam gemacht.) Schließlich müssen sie keine Konsequenzen ihres (individuellen) Verhaltens tragen. Viel wichtiger ist, dass Wettbewerbsbeschränkungen in aller Regel nicht zu Kleinkostensituationen führen. Zwar kann es zutreffen, dass in solchen Situationen moralisches Verhalten, welches zu einer Erhöhung der Produktionskosten führt, nicht zum Ausscheiden aus dem Markt führt, wenn z.B. höhere Löhne gezahlt und/oder wirksamere Umweltschutzmaßnahmen durchgeführt werden, als gesetzlich gefordert wird. Die Alternative zu moralischem Verhalten ist hier jedoch, die durch die Verringerung des Wettbewerbsdrucks geschaffene Möglichkeit zur Preiserhöhung zur Erhöhung des eigenen Einkommens zu verwenden. Insofern ist es in einer solchen Situation, die der eines staatlich geschützten Monopols zumindest sehr nahe kommt, sehr teuer, sich moralisch zu verhalten. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die Außerkraftsetzung der Marktkräfte durch Wettbewerbsbeschränkungen moralisches Verhalten fördert. Vielmehr ist mit einer Ausbeutung der Konsumenten durch die Produzenten zu rechnen.

((12)) Wenn erstens die Änderung der ‚realen‘ Produktionsbedingungen nicht zu einer Änderung der Präferenzen (im gewünschten Sinn) führt, wenn man zweitens auf den totalitären Ansatz einer direkten Einflussnahme auf die Präferenzen der (mündigen) Bürgerinnen und Bürger verzichten will und wenn drittens die Herbeiführung von Kleinkostensituationen durch Verringerung des Wettbewerbsdrucks sich als untaugliches Mittel erweist, dann bleibt, falls man das Ziel verfolgt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger (in einem bestimmten Sinne) vernünftig bzw. moralisch verhalten sollen, nichts anderes übrig, als die (gesellschaftlichen und) wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass individuell rationale und eigeninteressierte Individuen sich so verhalten, dass das gesellschaftliche Gesamtergebnis (aus der entsprechenden Perspektive) zumindest akzeptabel erscheint. Damit aber sind wir dort angelangt, wo die insbesondere von HOMANN vertretene Ordnungsethik bereits ist: “Der systematische Ort der Moral in der modernen Wirtschaft ist die Rahmenordnung” (HOMANN und PIES 1994: 9), und Wirtschaftsethik ist als ‚Anreizethik‘ zu konzipieren (HOMANN und KIRCHNER 1995: 297). Dass Anreizethik allein nicht ausreicht, sondern dass eine Individualethik im Sinne einer ‚Minimalmoral‘ hinzukommen muss, um das Funktionieren einer modernen, demokratischen Gesellschaft möglich zu machen, darauf wurde in KIRCHGÄSSNER (1995, 1996) ausdrücklich hingewiesen. Die Individualmoral kann hier freilich nur eine ergänzende Funktion haben; alle darüber hinaus gehenden Ansprüche dürften an der Natur des Menschen scheitern, weil sie die meisten Menschen überfordern. Sie sind damit nicht Ausdruck ökonomischer Vernunft, sondern idealistischer Selbstüberschätzung; und sie können, falls sie durchgesetzt werden sollen, dem Totalitarismus Vorschub leisten.

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