Kurzprotokoll zum Erwägungsseminar „Globalisierung“ 13. Sitzung (10.07.2009)



Anwesende: Siehe Teilnehmerliste!

Protokoll:
keines

Moderation:
P. Gärtner

Tagesordnung:

1. Bestätigung des Kurzprotokolls der 12. Sitzung (09.07.2009): entfällt aus Zeitgründen. Einwände können in den nächsten 3 Wochen per e-Mail (quaas@uni-leipzig.de) vorgebracht werden.

2. Diskussion mit H. Elsenhans

2.1. Vorstellung des Referenten (G.Quaas)
2.2. Vorstellung des Erwägungsseminars war nicht erforderlich: H. Elsenhans hatte sich bereits auf der Webseite informiert.
2.3. H. Elsenhans stellt sein Modell thesenartig vor.
(Hier eine unvollständige und möglicherweise unpräzise Darstellung der Thesen - ein Link zu seiner Vorlesung wird zugesandt und auf dieser Seite veröffentlicht.)

These 1: Im Verständnis von Elsenhans ist die zentrale Aussage der Theorie von Keynes die, dass die Gesamtmasse der Profite von den Investitionen abhängt (Kalecki-Modell); im Lebensmittel produzierenden Sektor sind Profite nur zu erzielen, wenn in dem nicht Lebensmittel produzierende Sektor Löhne gezahlt werden.

These 2: Neue Technologien sind nur dann wettbewerbsfähig, wenn die Stückkosten gesenkt werden. Sie können sich nur bei steigender Konsumnachfrage am Markt durchsetzen. Steigende Konsumnachfrage setzt wachsende Realeinkommen voraus. In diesem Punkt gäbe es keinen Konflikt mit der neoliberalen Theorie. Im Unterschied zu letzteren behauptet der Keynesianismus, dass Vollbeschäftigung die Ausnahme sei. Der Kapitalismus sei ein fragiles System. Die Neoklassik träfe nur in Ausnahmefällen zu.

These 3: Es gibt keine historische Notwendigkeit des Überganges zum Kapitalismus (gegen Marx gerichtet). Entscheidend für die Evolution des Kapitalismus waren sehr viele Umstände, insbesondere die, dass die Unterschichten mehr Marktmacht bekommen haben.
In diesem Zusammenhang wiederholt Elsenhans sein an Keynes Loch-Parabel angelehntes Entwicklungshilfe-Beispiel: Hubschrauber werfen markierte Steine ab, die – von den Bedürftigen eingesammelt – von den Entwicklungshilfeagenten gegen Geld eingetauscht werden. Das schaffe Marktmacht.

These 4 (hier wird die Zählung unsicher): Der Kapitalismus breite sich völlig unabhängig von der jeweils bestehenden Kultur weltweit aus (gegen Max Weber gerichtet).

These 5: Der Innovator bekommt relativ gute Preise, so lange er ein technologisches Monopol habe. Das sei jedoch durch die Möglichkeiten der Imitation und des Kaufes moderner Technologien beschränkt.

These 6: Ricardos Theorem der komparativen Kostenvorteile sei richtig. Das Problem liege bei den Aufholern: Diese hätten in einzelnen Sektoren zumeist einen nur geringen Produktivitätsrückstand im Vergleich zu den entwickelten Ländern, aber wesentlich geringere Arbeitskosten. Hier entstünden Renten, die von der Staatsklasse angeeignet werden.

These 7: Reiche Länder neigten zur Luxusgüterproduktion, wodurch zumindest teilweise die Produktion (à Endfertigung) im Inland stattfinden müsse, um für die Kunden attraktive Produkte herzustellen. Vergleichsweise höhere Lohnkosten in den reicheren Ländern seien deshalb kein Problem. Lohnkosten seien im internationalen Wettbewerb durch die Wechselkurse (mit-) bedingt, so dass zumindest die Zentren USA, EU und Japan mit den höheren Lohnkosten im Inland kein Problem haben sollten. Ähnliches gelte für die (großen) Länder der Dritten Welt, die ihre Konkurrenzfähigkeit auf den internationalen Märkten durch Abwertungen sicherstellen könnten. Kapitalflucht spiele heute keine Rolle mehr.

Auf eine Zwischenfrage von A. Gröschel, ob die Entwicklungsländer ihren Kapitalbedarf nicht durch Exporterlöse finanzieren könnten, stimmt der Referent zu und führt seine Auffassung zu abwertungsbegünstigten Exportinitiativen der Dritten Welt aus.

These 8: Bezug nehmend auf die gegenwärtige weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise weist Elsenhans auf Hayek hin, der bereits vor der „Finanzialisierung“ der Welt gewarnt habe. Als praktische Maßnahme schlägt Elsenhans eine erweiterte Refinanzierung der Sparkassen durch die EZB vor.

Auf die Frage von G. Quaas, wie man angesichts der erheblich größere Dimension der Finanzblasen im Vergleich zu den Asymmetrien in der Realwirtschaft (z.B. von China produzierte Exportüberschüsse) die Hayeksche Erklärung der Aufblähung des Finanzsektors bemühen könne, weist H. Elsenhans auf den Chip-Charakter des Geldes hin und auf die Gefahr der Entwertung des ehrlich erworbenen Geldes durch Finanzspekulation.

In Bezug auf die von Altvater vertretene Auffassung, dass vermehrte Produktion (siehe Elsenhans’ These zur Massenproduktion als Voraussetzung der Entwicklung) vermehrte Umweltausbeutung (Endlichkeit der fossilen Brennstoffe) und Umweltbelastung bedeute, bekannte sich Elsenhans zum Technologie-Optimismus.

K. Schubert fragte nach dem revolutionären Subjekt, das das Projekt „Kapitalismus“ voranbringe. Dies seien die Arbeiter (Arbeitnehmer). Elsenhans schränkte jedoch ein, dass der Kapitalismus kein bewusstes Ziel der Arbeiter sei. Eine propagandistische Schwäche der Arbeitnehmer (-Vertreter) bestehe darin, sich nicht pro-, sondern anti-kapitalistisch zu legitimieren. Ein kapitalistisches System sei aber nicht per se schlecht; vielmehr komme es auf die Einbettungen an, insbesondere auf die jeweils herrschenden Kräfteverhältnisse.

2.3 G. Quaas bedankt sich im Namen aller für die spannende Darstellung des Elsenhans-Modells.

3. Beschlüsse:
keine neuen Beschlüsse

4. F. Quaas erklärt die Lehrveranstaltung für beendet.


Für die Richtigkeit:
G. Quaas


Diskussion mit Prof. Dr. Hartmut Elsenhans

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