Protokoll zur 8. Sitzung (12.12.2008)

Moderation: K. Schubert

Kurzprotokoll: G. Quaas

1. Änderung am Protokoll: Auf die nächste Sitzung verschoben, da das Protokoll nicht im Leo-Netz abrufbar war.

2. Änderungen am Kurzprotokoll: Keine.

3. Fortsetzung der Kritik von Lachmann.

Fortsetzung der Diskussion vom 5.12.2008 mit der Frage, ob es ausreichenden Schutz der Menschenwürde gibt. K. Schubert vertritt die Meinung, dass dies nicht der Fall ist. U. Engelmann geht davon aus, dass in Deutschland die Grundrechte des Menschen gesichert sind und nennt als Beispiel Bildung und Bafög. G. Quaas hält die Fragestellung für Ansichtssache, die unter ethisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht weiter diskutiert zu werden braucht. Im Zusammenhang damit wird die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs erörtert. U. Engelmann hält sozialen Aufstieg in die Mittelschicht für jeden möglich, in die Oberschicht nur bedingt z.B. wegen Privatschulen. K. Schubert nennt als Beispiel Scorseses Film „King of Comedy“ bei dem der Protagonist seinen sozialen Aufstieg erpresst. G. Quaas nennt diese Diskussion Kaffeeklatsch, bei dem jeder eine Geschichte erzählt und fügt als Bsp. die Geschichte einer Doktorandin in den USA an, die einen Job als Kellnerin bereits als sozialen Aufstieg empfand. Köster kritisiert, dass bei Lachmann der soziale Aufstieg nur vom Willen abzuhängen scheint und soziale Faktoren vernachlässigt werden.

Ausgehend von den Ausführungen um den sozialen Aufstieg geht es nun um Lachmanns Begriff des Sozialschmarotzers (vgl. Lachmann Abschnitt 12). Köster geht davon aus, dass bei Lachmann jeder Hartz IV Empfänger ein Sozialschmarotzer ist. K. Schubert erklärt, dass der Sozialschmarotzer bei Lachmann jemand sei, der nicht für sich selbst sorgt und es deshalb auch ein Millionär sein könne. J. Sterner verweist auf die Kosten-Nutzenfunktion und versteht unter Sozialschmarotzer jemanden, der Kosten verursacht. G. Quaas korrigiert, dass es Lachmann nicht um die tatsächlichen Kosten geht, sondern darum, dass man sich bemühen soll keine Kosten zu verursachen.

F. Quaas erklärt, dass bei Lachmann Moral über Leistungsgerechtigkeit erklärt wird. Hieran knüpft die Diskussion, wie Leistungsgerechtigkeit allgemein und bei Lachmann zu begreifen ist und ob Moral grundsätzlich an Leistungsgerechtigkeit geknüpft ist.

K. Schubert hält Verantwortung für die Voraussetzung von Leistungsgerechtigkeit. Verantwortung kann aber nur unter den Bedingungen Freiheit, Bewusstsein und Alternativen übernommen werden und ist deshalb an Rahmenbedingungen geknüpft. Diese sieht G. Quaas bei Lachmann als Voraussetzung – nur wer kann, soll. Lachmann verlange also nichts, was man nicht auch kann. J. Sterner bringt Leistungsgerechtigkeit in Verbindung mit Lachmanns Forderung nach Effizienz. Ineffizienz ist bei Lachmann unmoralisch (vgl. Lachmann Abschnitt 12).

Im Folgenden wird festgestellt, dass Lachmann keine Unterscheidung zwischen Können und Wollen macht und i.S. des American Dream davon ausgeht, dass jeder der kann auch will. F. Quaas sieht Lachmanns Position zum Anspruchsdenken als nicht schlüssig. Dahinter steht die grundsätzliche Frage, ob es gerecht ist, jemandem den Lebensunterhalt zu bezahlen ohne dass er Ansprüche erfüllt. G. Quaas sieht auch bei Lachmann die Möglichkeit eingeplant, dass jemand Ansprüche nicht erfüllen kann. (Stichwort Rahmenbedingung vgl. Lachmann Abschnitt 12).

Als nächstes wird das Verhältnis von Moral und Effizienz verhandelt und die Möglichkeit einer ineffizienten Moral.

Laut U. Engelmann ist Moral ohne Effizienz nicht möglich, wie er es auch bei Ulrich dargelegt sieht. Der Bereich der Wirtschaftsethik liegt zwischen den Wünschen und tatsächlichen Handlungen des Menschen. Er interpretiert Ulrichs IWE als eine Orientierung an den Präferenzen der Individuen, die dann den Bedingungen des Rollentauschs angepasst werden. K. Schubert sieht die Gefahr, dass durch ein ökonomisches Effizienzdenken im Bereich des Moralischen der moralische Mensch auf den Homo Ökonomicus reduziert wird. Er versteht Lachmanns Effizienz deshalb als ökonomisch, weil er sie mit Wettbewerb verbindet (vgl. Lachmann Abschnitt 10). J. Sterner sieht diese Bestimmung von Moral als identisch mit Lachmanns Ansatz die Nutzenfunktion um Moral zu erweitern (vgl. Lachmann Abschnitt 6). Köster ergänzt, dass Effizienz von zwischenmenschlichen Beziehungen messbar und operationalisierbar sein müsste, wenn sie in die Nutzenfunktion integriert werden soll. G. Quaas sieht Effizienz nicht als rein ökonomischen Bereich, sondern als etwas Allgemeines, wovon der Wettbewerb eine spezielle Form ist, in einer speziellen Beziehung steht.

F. Quaas weist von der bisherigen Diskussion ausgehend auf zwei Punkte hin. 1) Bei Ulrich ist der Lebensstil nicht nur ökonomisch. Lachmann verkürzt den Lebensstil dagegen teilweise aufs Ökonomische. Er geht von Leistung, Effizienz und Kosten-Nutzen-Verhältnissen aus. 2) Inwiefern kann eine nicht ausschließlich rationalistisch-ökonomische Lebensweise Wohlfahrtsergebnisse erzielen? Ulrich will, dass der ökonomische Lebensstil nicht der einzige ist, aber er verwirft ihn nicht prinzipiell. G. Quaas verneint Punkt 1), weil er im Begriff der Rahmenbedingungen (vgl. Lachmann 12) den Verweis aufs Außerökonomische sieht.

F. Schubert fordert zunächst eine Definition von Lebensstil, weil er bei Ulrich und Lachmann ein unterschiedliches Verständnis davon vermutet. Für U. Engelmann ist der Lebensstil bei Ulrich weniger auf Effizienz gerichtet als bei Lachmann. M. Schmidt ergänzt, dass es zwei Ansätze gibt, um effizient zu sein: 1) Man versucht über ein gegebenes Input ein maximales Output zu erreichen. 2) Man versucht einen bestimmten Output mit minimalem Input zu erreichen. Die beiden Ansätze unterscheiden sich in ihrer Gewinnmaximierung und haben unterschiedliche Konsequenzen für den Lebensstil. K. Schubert stellt fest, dass Inputminimierung verschiedene Konsequenzen haben kann, wie z.B. Arbeitslosigkeit oder mehr Freiraum für den Einzelnen, der sich dann i.S. Lachmanns selbst verwirklichen kann (vgl. Lachmann Abschnitt 12). G. Quaas fragt, ob Lebensstil, Effizienz und Zeit nicht auch jenseits des Ökonomischen möglich sind. Köster hält entgegen, dass es Lachmann aber um das Ökonomische geht.

In Rückbesinnung auf die Suche nach einer Verbindung von Effizienz und Moral wird Effizienz als eine anthropologische Konstante diskutiert. Dabei wird am Beispiel von Naturvölkern zunächst festgestellt, dass sie von sich aus effizient waren/sind und die Fähigkeit zur Effizienz „angeboren“ sein könnte. Wenn aber Effizienz anthropologisch gegeben ist, müsste jede menschliche Handlung effizient sein. Das verneint Köster mit Verweis auf Hunger und Krieg. K. Schubert sieht die anthropologische Effizienz nur beim Individuum, nicht bei der Gesellschaft. F. Quaas führt Lachmanns Lösung des Hunger und Krieg Problems an: Diese sind Resultat von ineffizienter Politik. Demnach ist bei Lachmann die Ökonomie von Effizienz und individueller Freiheit und die Politik von Kollektivem und Ineffizienz gesteuert (vgl. Lachmann Abschnitt 12).

F. Quaas leitet eine Diskussion über die Frage nach dem Zulassen von Ineffizientem ein. Sie sieht bei Lachmann eine Hierarchie der Lebensstile, bei dem das Ökonomische den obersten Lebensstil bestimmt. Aus dem Beispiel der Naturvölker folgt die Frage, ob der Lebensstil der ökonomisch ineffizienten traditionellen Waffen (im Vergleich zu modernen Schusswaffen) zugelassen werden soll. G. Quaas verneint das mit dem Beispiel des Lebensstils der Inkas, der durch den Lebensstil der effizienteren Spanier abgelöst wurde. K. Schubert führt das Beispiel der Amish People an, die einen ökonomisch ineffizienteren Lebensstil haben als ihre direkte Umwelt, aber keine Kosten verursachen, weshalb Lachmann ihren Lebensstil zulassen müsste (vgl. Lachmann Abschnitt 12).

G. Quaas führt aus, dass ein mehrheitlich kostenverursachender Lebensstil sich dem effizienteren Lebensstilen anpassen müsse, denn ein kostenverursachender Lebensstil ist nicht universalisierbar und somit ungerecht. Allerdings kann eine reiche Gesellschaft sich auf freiwilliger Basis eine soziale Gruppen mit einem kostenverursachenden Lebensstil leisten, dieser ist dann aber kein Recht. V. Laurischk fragt, ob von allen sozialen Gruppen verlangt werden kann, dass sie kosteneffizient leben und führt das Beispiel der Native Americans an.

F. Quaas zeigt am Beispiel der Amish People den Unterschied zwischen Ulrich und Lachmann bezüglich Effizienz und Kosten. Was passiert wenn die Amish in einem Ausnahmefall doch Kosten verursachen würden, z.B. durch einen Krankenwagen. Bei Lachmann wäre dieser Fall unmoralisch. Ulrich ist hier differenzierter, weil er diesen Fall nicht nach Effizienzkriterien bewerten würde. An diesem Punkt wirft Lachmann Ulrich vor, unmoralisch zu sein. G. Quaas widerspricht, er sieht bei Lachmann nur die Frage gestellt, ob es unethisch ist, auf Kosten anderer zu Leben.

Die Diskussion kommt zurück auf die Bestimmung der anthropologischen Effizienz. G. Quaas definiert Effizienz erneut als etwas anthropologisches, das über eine ökonomische, durch Geldbeträge oder Kosten-Nutzenfunktionen messbare Effizienz hinaus geht. Der anthropologische Effizienzbegriff steht an oberster Stelle. Davon leiten sich konkrete Effizienzen, wie ein moralisches Kalkül der Effizienz oder die ökonomische Effizienz, ab. Jeder Mensch achtet auf Effizienz, was Lachmann andeutet, aber dann wieder auf den ökonomischen Bereich reduziert. Außerdem weist G. Quaas darauf hin, dass auch bei Lachmann die verschiedenen Dimensionen von Effizienz durcheinander verwendet werden. Dass dem Mensch die Fähigkeit effizient zu sein „angeboren“ ist, wird im Seminar angenommen, weil der Mensch effizient sein will, voraus plant und den „gesunden Menschenverstand“ als Voraussetzung für Effizienz hat. Einwände bleiben von Seiten Kösters, der diese Effizienz für nicht messbar und deshalb nicht in die Nutzenfunktion i.S. Lachmanns integrierbar hält. Als Beispiel nennt er Nächstenliebe. Außerdem folgert er, dass aus der anthropologischen Effizienz des Menschen auch auf eine Effizienz von Krieg und Hunger zu schließen ist. Für K. Schubert folgt hieraus die Notwendigkeit einer genaueren Bestimmung von Effizienz, die G. Quaas in der Bestimmung der verschiedenen Effizienzen (ökonomisch, anthropologisch...) ansiedelt. Als Beispiel für die verschiedenen Effizienzen führt G. Quaas einen heiligen Hügel an, der i.S. eines religiösen Kalküls der Effizienz nicht abgetragen werden soll.

Als Exkurs in diesem Diskussionsabschnitt sind K. Schuberts Ausführungen zu Computerspielen und der Spieltheorie zu betrachten, in denen es um die Frage geht, ob es effektiver ist, egoistisch oder altruistisch zu spielen. Er versteht unter egoistisch dabei nutzenmaximierend. G. Quaas führt darauf zunächst aus, dass egoistisch nicht allein nutzenmaximierend ist und dass es ihm nicht um die Reduktion auf Nutzen geht, sondern der Nutzen eine von verschiedenen anthropologischen Grundbedingungen ist. Es soll nicht alles auf Nutzen reduziert werden.

Die Debatte kommt auf die Frage zurück, ob Moral effizient sein muss. G. Quaas bejaht das i.S. Lachmanns, da Moral der Effizienz unterzuordnen sei (s.o. G. Quaas anthropologisches Konzept von Effizienz). K. Schubert problematisiert, dass im alltäglichen Gebrauch unter Effizienz nicht die anthropologische (die K. Schubert als Vernunft deklariert), sondern die ökonomische verstanden wird. Die verschiedenen Ausprägungen von Effizienzen korrespondieren mit verschiedenen Lebensstilen und ein Übergewicht des ökonomischen Effizienzbegriffes ist Ausdruck eines Übergewichts des ökonomischen Lebensstils, den Ulrich als totalitär postuliert und kritisiert. Ulrich will den ökonomischen Lebensstil nicht prinzipiell verwerfen, aber er soll andere Lebensstile nicht dominieren. G. Quaas stimmt K. Schubert zu, dass der Bereich der Ökonomie als zu allgemeingültig gelesen wird. Er sieht deshalb bei Lachmann das Problem, dass er ein starkes (soll heißen sehr inhaltsreich) Effizienzkonzept hat und erklärt das von ihm dargelegte anthropologische Effizienzkonzept als sinnvoller, weil es schwächer (mit weniger Inhalten belegt) und somit auch breiter nutzbar ist (beinhaltet dann mehr als ökonomische Effizienz).

F. Quaas stellt fest, dass Ulrich in seiner Replik auf Lachmanns problematisches Effizienzkonzept nicht eingeht (vgl. Replik Abschnitt 21), sondern nur auf das Primat der Politik. Damit pariert er den Vorwurf Lachmann unethisch zu sein aber nicht. G. Quaas erklärt sich das darin, dass es für Ulrich problematisch ist, Effizienz überhaupt in die Moral einzubeziehen. F. Quaas ergänzt, dass es für Ulrich problematisch ist, weil der Effizienzbegriff ökonomisch besetzt ist, was die imperialistische und totalitäre Ausdehnung des ökonomischen Bereichs auf andere Bereiche zeige.

G. Quaas führt aus, dass für ihn weder die ökonomische Effizienz noch das moralische Kalkül der Effizienz Vorrang haben, denn beide unterstehen der anthropologischen Effizienz, die besagt, dass der Mensch seine Bedürfnisse befriedigen will. Da der Terminus „Bedürfnisse befriedigen“ aber nicht alle Lebensbereiche abdeckt, bedarf es der Ausdifferenzierung in einzelne Effizienzbereiche. Auf K. Schuberts Frage, woher die Moral komme, antwortet G. Quaas, dass sie situationsbedingt sei. Als Beispiel führt er die Situation an, dass ein Baum gefällt werden muss, weil er auf ein Haus zu fallen droht. Das Baumfällen betrifft den Bereich der reinen Effizienz. Die Organisation des Baumfällens bedeutet allerdings einen sozialen Kontext zu beachten in dem es dann auch um moralische Aspekte geht. In diesem Kontext führt G. Quaas eine Unterscheidung von politisch und moralisch an. Im Politischen besteht die Möglichkeit zu sanktionieren, im Moralischen nicht. K. Schubert hinterfragt diese Definition, denn warum sollte man sich ohne Sanktion moralisch verhalten. G. Quaas hält den Rollentausch-Gedanken dagegen.

F. Quaas schließt die Diskussion mit Verweis auf die Zeit und erinnert, dass die Frage aus der Pies Debatte offen ist, ob Moral infiziert. Dazu soll G. Quaas Papier gelesen werden und die Literatur, auf die G. Quaas im Text verweist.

V. Laurischk

Eingestellt:
Jan. 2009