Protokoll
zum Erwägungsseminar « Globalisierung » 4.Sitzung (15.05.09)
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Anwesende: Siehe Teilnehmerliste!
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Moderation: F.Quaas
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Protokoll: J. Sterner
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Änderungen zum Protokoll der 2. Sitzung :
Es
wird darüber, diskutiert ob die Namen der Teilnehmer in den Protokollen stehen
sollen. Letztendlich wird entschieden, dass dies nicht Pflicht ist und dass der
Protokollführer selbst entscheiden kann.
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Änderungen zum Protokoll der 3.Sitzung:
Keine.
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Statement von M.Klein:
Insgesamt
stimmt Kazmierski (K) Altvater (A) zu. Die Schlussanmerkung K.s , die seine
Enttäuschung
darüber zum Ausdruck bringt, dass A.s Aufführungen nicht interaktionistisch
sind, ist
problematisch.
Klein schließt daraus, dass K. zu große Erwartungen an Altvater gestellt hat.
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Diskussion:
Es
wird zunächst geklärt, was unter einer interaktionistischen Herangehensweise zu
verstehen
ist.
Klar wird, dass es sich nicht nur auf die Individuen bezieht, sondern auch auf
deren Beziehung
untereinander
und dieser Beziehungen zum Gesellschaftssystem.
Es
wird dann allgemein zwischen interaktionistischen, strukturellen und
handlungstheoretischen
Ansätzen unterschieden. Es wird auf die Replik hingewiesen, in der
Altvater
auf K.s Kritik Stellung nimmt. Durch Marxs „Rückkoppelungsschleife“ zwischen
Strukturen
und
Akteuren verteidigt Altvater seinen strukturellen Ansatz. Es wird eingewendet,
dass K. selbst in
seinen
eigenen Ausführungen unklar darstellt, ob er strukturelle oder Akteur bezogene
Methoden
bevorzugt.
Es wird präziser unterschieden zwischen Handels- und interaktionistischer
Theorie, die
keine
rein akteurbezogene Analyse ist. Daraus ergab sich die Beobachtung, dass
Altvater in der Replik
diesen
Unterschied nicht macht und auf die Möglichkeit eine interaktionistischen
Ansatzes nicht
eingeht.
Die Unschärfe der Replik in diesem Punkt wird allgemein kritisiert.
K.s
Schlussbemerkung lässt auch darüber nachdenken, ob K. A. nicht schon immer
missverstanden
hat. Auch hier hilft die Replik A.s nicht weiter, und diese Frage bleibt offen.
Als
Nächstes wird spezifisch auf K.s Kritik am Strukturalismus eingegangen. K.
fühle sich besonders
dadurch
unbefriedigt, dass in Altvaters Ansatz keine Verantwortlichen angegeben werden.
Dem
wird
entgegengesetzt, Altvater mache mittels seiner strukturalistischen Sichtweise
seine
wissenschaftlichen
Kollegen verantwortlich für das kapitalistische System.
Es
wird diskutiert, ob sie beschuldigt werden können oder ob sie zu stark vom
System
beeinflusst
sind, um alternativ handeln zu können. Der Einfluss des Systems auf die Akteure
wird allgemein als gegeben angenommen, doch wird auch betont, dass dieser einen
Freiraum für Veränderungen nicht ausschließe.
Kompletter
Determinismus in einem System, so wird weiter argumentiert, sei schon rein
logisch nicht
möglich.
Sonst würde es nie zu Innovationen kommen. Dem wird widersprochen, da durch
Systemstörungen
neues auftauchen könne.
Es
wird darauf aufmerksam gemacht, dass man zwischen Determinismus und Prä-
Determinismus
unterscheiden müsse. Letzeres umfasst sowohl die Handlung als auch das Ergebnis
der
Handlung. Man ist sich darüber einig, dass Altvater keine deterministische
Denkweise verfolgt.
Weiter
wird darüber diskutiert, dass Systemstörungen sich als Krisen widerspiegeln.
Nach
Schumpeter
ist die Rolle der Krisen die Erzeugung neuer Anpassungsschübe und eine
Reinigung des Systems.
Generell
wird darüber diskutiert, was eine Krise ist. In Altvaters HA wird zwischen
großen
und
kleinen Krisen unterschieden. Erst wenn sich die Form von Waren, Lohnarbeit und
Geld
verändern,
kann man von einer großen Krise sprechen. Im Gegensatz dazu führen kleine
Krisen nicht
zum
Systemwandel und werden überwunden.
Als
nächstes wird überlegt, was Krisen verursacht. Als eine Möglichkeit wird der
Klassenkampf vorgeschlagen, doch ist das aus Altvaters Sicht allgemein
abzulehnen. Es wird jedoch betont, dass es in der Wissenschaft Theorien gibt,
die Zusammenhänge zwischen Krise und Klassenkampf herstellen.
Weiterhin
werden Krisenkriterien im kapitalistischen System gesucht. Sowohl Vorschläge
als auch Grenzen und Komplexität dieser Methode werden angesprochen.
Das
Ergebnis der Debatte ist, dass Wachstum ein effektives Kriterium für Krisen
ist, da es eine
Notwendigkeit
des kapitalistischen Systems darstellt. Als Wachstumsindikatoren wurden die
Steigerung
des Pro Kopf Einkommen (= Wohlfahrtswachstum) diskutiert. In diesem
Zusammenhang
wurde auch angesprochen, ob Einkommenssenkungen gesellschaftlich akzeptabel
sind
oder eher abgelehnt werden. Solange die Bevölkerung wächst, wird ausgeführt,
muss es Wachstum geben - schon um Gesellschaftsprobleme zu verhindern. Erst
wenn Produktivkräfte ausgeschöpft sind (Marx) kann es zu einem Systemwechsel
kommen. Es wird eingewendet, dass es auch Wachstum geben kann, aber vielleicht
in geringerem Maße.
Die
Diskussion wird dann weiter auf politische und gesellschaftliche Aspekte
hingeführt. Ein
System,
dass auf eine immer steigende Produktivität ausgerichtet ist, führe zur
Verarmung und
Freisetzung
von Arbeitskräften. Die sozialen Probleme, die daraus entstehen, führen dann
zum Umbruch des Systems, in einer marxistischen Sicht der Konflikte zwischen
Kapitalisten und Proletariat.
Der
Einwand, dass man heutzutage nicht mehr von Proletariat sprechen kann, führt
die Gruppe zur Frage zurück, wie es dann zu gesellschaftlichen Veränderungen
kommt. Aus gesellschaftlicher Sicht sei es das Risiko einer Weltwirtschaftskrise,
dass es zu Aufständen und politische Instabilitäten kommen kann. Es wird über die
Möglichkeit gesprochen, dass Länder von einer offenen globalisierten
Marktwirtschaft zu einem geschlossenen System zurückkehren.
Anschließend
kehrt die Diskussion zu den Ursachen der Krisen zurück. Ein weiterer Vorschlag
dazu
ist die Überakkumulation im Rahmen von Konjunkturzyklen (Schumpeter).
Es
wird überlegt, wie in der Realität mit den Überschüssen der Produktion
umgegangen wird. Wenn
die
Überschüsse in einem wichtigen Sektor massiv sind (hier das Beispiel die
Landwirtschaft in den USA vor der Weltwirtschaftskrise 1929-33), kauft der
Staat diese Überproduktion auf und dieser Sektor verändert sein Verhalten nicht
und produziert weiterhin zu viel. Welcher Zusammenhang kann damit zur aktuellen
Finanzkrise und Weltpapierblase hergestellt werden?
Das
ginge, indem man auf die Überlagerungen zwischen den Produktionsprozessen und
anderen wirtschaftlichen Ebenen hinweist. Eines sei jedoch klar, so wird
ausgesagt, dass die heutigen Krisen der Theorie von J.B.Say widersprechen, der
Theorie nämlich, dass jede Produktion sich seine eigene Nachfrage schaffe. Auch
das Geld könne im heutigen Kontext nicht mehr als Schleier angesehen werden.
Es
besteht ein Konsens darüber, dass Gläubiger und Schuldner eigentlich wissen,
worauf sie sich
einlassen,
und dass Krisen der Überproduktion nicht durch ein Problem der Information
verursacht
werden.
Besprochen
wird als nächstes wieder die Beziehung zwischen Kapitalismus und
Wachstum.
Im Sinne eines Entbettungsprozesses könne der Kapitalismus ohne Wachstum nicht
überleben.
Dies wird mit Altvaters Beschreibung im HA der Veränderung der Wachstumsraten
in der
Geschichte
untermauert.
Weiter
wird über eine Unklarheit des HAs gesprochen: Ob der Verfall des Kapitalismus
durch
endogene
oder exogene Variable verursacht werden kann. Altvater stimme zwar Braudel zu,
aber das
widerspreche
sich im Detail mit seiner Argumentation, wie auch Kazmierski kritisiert. A.
bleibt in
einer
Unausgewogenheit zwischen Dynamik und krisenhafte Natur des Kapitalismus
stecken.
Kapitalismus,
so ist bisher festgestellt worden, kann mit internen Problemen umgehen, also
sei nur
eine
externe Ursache möglich. Andererseits wäre in einer marxistischen Sichtweise
der Umbruch nur
intern
möglich, indem sich das System selbst auflöst.
Das
Problem des HA ist, so wird festgestellt, dass soziale Evolution als endogene
Variable
dargestellt
wird und das verursacht den eben genannten Widerspruch. Doch dies sei ein
relatives Problem, da das kapitalistische System es immer wieder schaffe,
externe Variablen zu endogenisieren, beispielsweise bei Umweltproblemen. Es
besteht dann die Frage, ob Kapitalismus dann für immer bestehen würde.
Nicht
im Falle von veraltenden kapitalistischen Systemen wird darauf geantwortet:
wenn es keine
Innovationen
mehr gibt, dann könnte ein Umschwung stattfinden.
Als
Nächstes wird über die Form des Umschwungs diskutiert: Ob es zur Überwindung
oder
Veränderung
des Systems komme könnte. Einige meinen, der HA sei ohne die Intention
geschrieben worden, die Form der sozialen Evolution darzustellen, die ein
Umschwung oder ein Veränderung verursachen könnte.
Es
wird dann eingewendet, dass man zuerst die Ansprüche an dieses neue System
besprechen sollte.
Es
entbrennt eine Debatte, ob Wünsche in wissenschaftlichen Überlegungen ihren
Platz haben. Es
findet
keine Übereinstimmung der Gruppe zu diesem Thema statt. Ein Unterschied
zwischen
Werturteilen
und Wünschen wird gemacht. Die Sphäre des Normativen gehöre auch zur
Wissenschaft,
insofern in der Ethik überlegt wird, wie Menschen zusammenleben. Dahinter
verstecke
sich immer, was wir uns darunter vorstellen und damit auch unsere Wünsche.
Allgemein
wird zugestimmt, dass der HA auch normativ geprägt sei und man das in der
Reflexion mit
einbeziehen
solle.
Zur nächsten Sitzung ist die Kritik von
Marlis Krüger vorzubereiten und die Replik zu lesen.
(Redaktionelle Bearbeitung: G. Quaas)